Perfekt: Jürgen Klopp zu Anker Wismar

Damit war nicht unbedingt zu rechnen. In der schlichten Sprache der Sportberichterstattung würde man wohl von Paukenschlag, Transferhammer oder Mega-Deal sprechen. Jürgen Klopp, der Coach des FC Liverpool, wird vom Sommer an die 1. Herren des Verbandsligisten FC Anker Wismar trainieren. Klopp will die „Reds“ aus der Premier League nach fünfeinhalb Jahren verlassen, zum 30. Juni 2021. Man habe der Bitte des 53-Jährigen um eine vorzeitige Auflösung seines bis 2024 gültigen Vertrages entsprochen, erklärte der Verein auf Nachfrage von Wismar News. Kurz zuvor hatte bereits in Wismar der langjährige Anker-Cheftrainer Dinalo Adigo seinen Abschied erklärt. Er könne sich mit der sportlichen Neuausrichtung des Vereins nicht identifizieren, hieß es. Aus demselben Grund trat auch der Aufsichtsrat kurz darauf geschlossen zurück. Alles Zufall? Wohl kaum. Wie der neue Weg des FC Anker nach dem Umbruch aussehen soll und welche Rolle Jürgen Klopp dabei spielen kann, erfahren Sie im exklusiven Interview mit dem Brillenträger des Jahres 2008.

WN: Was hat Sie dazu bewogen, dem FC Liverpool den Rücken zu kehren?

Klopp: Was in Liverpool für eine Geschichte geschrieben wurde, das ist außergewöhnlich und hat es noch nie gegeben. Aber: It´s not a wish concert. Im FA Cup sind wir ausgeschieden. Im League Cup, längst draußen. In der Meisterschaft? 25 Punkte hinter Tabellenführer Manchester City. Die Luft ist einfach raus. Wir setzen jetzt alles auf die Champions League, dort haben wir es mit Hängen und Jürgen ins Viertelfinale geschafft. Aber danach war´s das. Mein Abschied ist eine absolut richtige Entscheidung. Ich habe zuletzt nicht mehr das Gefühl gehabt, der perfekte Trainer zu sein. The thing is through, wie der Engländer sagt.

WN: Wie kamen Sie ausgerechnet auf Anker Wismar? Sie hätten ja auch Bundestrainer werden können.

Klopp: Ich beobachte den Club schon länger. Seit Jahren schaue ich am Wochenende zu Hause in den Videotext, um zu gucken, wie Anker gespielt hat. Wer mich kennt, der weiß, ich brauche Emotionen und echte Herausforderungen. Wo sollte ich sonst hin? Die Nationalmannschaft trainieren? Mal ehrlich, in den vergangenen Jahren gab es doch kaum eine Truppe, die weniger Emotionen geweckt hat. Ich wollte nochmal ganz von vorne anfangen, was bewegen. Ich habe mit Liverpool alles erreicht. Nun wartet eine viel größere Aufgabe auf mich. Außerdem sind die Trikots ebenfalls rot. Das erleichtert mir die Eingewöhnung.

Sogar das Nummernschild hat Klopp schon ändern lassen. Ein Zeichen, dass er es ernst mit dem FC Anker meint? (Foto: WN)

WN: Wie kam Ihr Engagement in der Hansestadt eigentlich zustande?

Klopp: (Lacht) Das geht Sie nichts an. Wir haben Stillschweigen vereinbart. Wie ich an dieser Stelle gerne zu sagen pflege: Sometimes, one comes to the other.

WN: Was haben Sie konkret mit dem FC Anker vor?

Klopp: Ich werde da ansetzen, wo damals die Trainer-Ikonen Timo Lange und René Rydlewicz aufgehört haben. Deren Philosophie fortsetzen und den Verein so weit wie möglich nach oben führen. Früher wurde hier oft über die Regionalliga fantasiert. Es ist aber noch viel mehr drin. Ein Investor wollte eine Multifunktionsarena bauen, es gab große Ziele. Dort will ich anknüpfen. Nachwuchsarbeit gut und schön, habe ich auch Bock drauf. Aber ich will hier ein Aushängeschild für erfolgreichen Fußball zementieren, und zwar im Profibereich. Dass dies eine erfolgreiche Mannschaft sein kann, ist leider lange Zeit effizient vertuscht worden.

WN: Wie Sie wahrscheinlich wissen, steht der FC Anker finanziell nicht besonders gut da. Was muss getan werden?

Klopp: Eine ganze Menge.Darüber habe ich mir bereits mit meinen Beratern Gedanken gemacht. Ich konnte in den vergangenen Jahren ein bisschen Geld bei Seite legen. Einen Teil davon werde ich als Privatinvestor einbringen, unter anderem um die Infrastruktur hier zu verbessern. Das Stadion hat dringend einen neuen Anstrich nötig, um es freundlich zu formulieren. Meine Kontakte im Profifußball und in den Transfermarkt dürften ebenfalls von Nutzen sein. Aber Anker Wismar braucht erstmal vor allem neue Sponsoren. Einige habe ich bereits selbst akquiriert, wie zum Beispiel das Modeunternehmen Peekenburg & Klopp, die Anker Apotheke Wismar und den Pharmakonzern Jürgen & Jürgen. Ich werde weiter versuchen, potenzielle Geldgeber von meiner Vision persönlich zu überzeugen.

Glücklich nach der Schlüsselübergabe am Friedenshof. Hier wird der Coach mit seiner Familie wohnen. (Foto: WN)

WN: Apropos. Mussten Sie Ihre Familie eigentlich überzeugen? Werden Sie gemeinsam nach Wismar ziehen?

Klopp: Das ist privat. Aber Ihnen als neuen Medienpartner des FC Anker Wismar kann ich es ja sagen. Als ich letztens beim Abendessen in England meine Pläne verkündet habe, ist mir meine Familie um den Hals gefallen. Ich meine, hallo? Wismar? Einen schöneren Ort so dicht am Meer kann sich jemand, der viel Zeit im Ruhrpott verbracht hat, kaum vorstellen. Wir werden gleich in der Nähe des Stadions ein fancy Appartement beziehen (Friedenshof, d. Red.). Ist ganz praktisch, kurzer Weg zur Arbeit.

WN: Na dann, Herr Klopp. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg!

Klopp: Okay, werde ich mir ausrichten. We are Anker Wismar, no one can reach us the water (lacht).

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